Geschichte und Geschichten: der Lauerturm

Im historisch-ursprünglichen Ambiente empfängt das Lauerturmstüble seine Gäste: im Lauerturm – dem Wahrzeichen Ettlingens.

Römer, Alemannen, Franken: Sie alle waren Herrscher Ettlingens. Und glaubt man den Ettlinger Humanisten Irenicus und Hedio, so geht die Gründung ihrer Heimatstadt sogar auf die Trojaner und das Jahr 1111 vor Christus zurück. Zumindest besagt dies die Inschrift unter dem Neptunstein, der damals an der östlichen Rathausmauer angebracht wurde. In ihm verbindet sich der Wunschtraum humanistischen Bürgerstolzes mit der Sage.

Der Lauerturm in der Ettlinger Geschichte

Doch Troja hin oder her: Der Lauerturm ist jünger als die Stadt Ettlingen selbst. Es gab ihn noch nicht, als die Siedlung im Jahr 788 erstmals erwähnt wird: als Ediningom und als Besitz des elsässischen Klosters Weißenburg. Er bewehrte die Stadt auch noch nicht, als Kaiser Otto der Große Ettlingen 965 das Marktrecht verlieh. Und auch nicht, als Barbarossas Sohn Kaiser Heinrich VI. den Ort im Jahr 1192 zur Stadt erhob: Denn erst jetzt – mit dem Stadtrecht – war es den Menschen erlaubt, Stadtmauern und Türme zu ihrem Schutz zu errichten. Was die Ettlinger Bürger sogleich in Angriff nahmen: Sie befestigten die Stadt in mehreren Abschnitten mit einfachen und doppelten Mauern, Wehrtürmen und einem Graben. Doch noch immer ohne den Lauerturm: Der nämlich steht, zinnengekrönt, seit 1570 an der nördlichen Ecke der Stadtmauer. Er wurde im Zuge einer umfassenden Neubewehrung der Stadt kurzerhand auf die alte Mauer aus dem 14. Jahrhundert aufgesetzt. Mit seinen Schießscharten diente er nicht nur der Bewehrung, sondern war auch der „Luginsland“ – der den Blick über Stadt und Land ermöglichte.

Auch ein Turm kann wanken

Gefahr drohte dem Lauerturm mehrmals: Zunächst im frühen 19. Jahrhundert, als die Stadtbefestigung geschleift wurde. Der „Bruder“ des Lauerturms, der „Weiße Turm“ an der Ecke Pforzheimer-/Friedrichstraße, fiel dem Abriss zum Opfer. Der Lauerturm durfte weiter über die Stadt wachen und erhielt einige Jahre später sein heutiges Kegeldach anstelle der Zinnenkrone. Auch blieben nur wenige Stücke der Stadtmauer bestehen. Darunter das zwischen Lauerturm und Alb: 180 Meter Länge sind bis heute erhalten. Sieben Meter dick, zwei Meter hoch und mit überdachtem Wehrgang, läßt sich hier ein originales Schalenbauwerk bestaunen: Die Mauer hat ein festes Außenmauerwerk und ist im Kernbereich nur aufgefüllt. Überlebt hat bis heute auch die Scheune aus dem 18. Jahrhundert, welche sich an die Mauer beim Lauerturm lehnt.
1906 verhinderte eine Gemeindratsentscheidung den Abriss des Lauerturms: Ein Haus sollte statt seiner gebaut werden. Auch der im selben Jahr noch geplante „lauerturmhohe“ Wohnbau mit Verbindungssteg zum Lauerturm wurde nicht realisiert.

800 Jahre Stadtrecht: ein neues Gesicht für den Lauerturm

Eine Million Deutsche Mark ließ die Stadt sich 1992 die Sanierung des Lauerturm-Areals kosten. Anlass war das 800-jährige Jubiläum der Stadtrechte-Verleihung. Bis dahin stand im Lauerturmhof der alte Ettlinger Kelter. Und das Lauerturmstüble war eine beliebte Vesperstube. Das Ergebnis der Investition kann sich sehen lassen:

Der Lauerturm ist heute mehr als nur der letzte erhaltene Turm der nördlichen Stadtbefestigung: Er ist das Wahrzeichen Ettlingens. Beherbergt im Obergeschoss ein Museum mit Gegenständen aus dem bäuerlichen Arbeits- und Lebensbereich um 1900. Und in Ettlingen ein kulinarisches Highlight: Mit dem Jahr 2008 hat Adolf Brock das Lauerturmstüble in die Hände seines Sohnes Andreas und dessen Lebensgefährtin Nadja Schröder gegeben. Mit viel Liebe und Fingerspitzengefühl haben die beiden die ehemalige Vesperstube in eine der gemütlichsten Kneipen der Stadt verwandelt. Den Biergarten zu einem idyllisches Refugium gemacht. Und damit einen beliebten Treffpunkt für kleine und große Genießer geschaffen.

Woher der Lauerturm seinen Namen hat

Die „Lauer“ im Lauerturm kommt keineswegs vom „Auflauern“, wie man vermuten könnte. Vielmehr ist der Turm – wie auch die Lauergasse, in deren Ecke er steht – nach einem mittelalterlichen Gewerbe benannt: nach der Gerberei. Die Handwerker benötigten zum Gerben des groben Leders „Lauge“, früher „Lowe“, „Loue“ oder „Laue“ genannt. Sie bestand meist aus zermahlener rötlicher Eichenrinde, weshalb die Gerber auch „Rotgerber“ hießen. Oder einfach „Louer“. Natürlich brauchte „der Louer“ auch Wasser in der Nähe, sodass sich die Ettlinger Gerber in der Gasse zur Alb ansiedelten: in der Lauergasse. Klar, dass da auch der Turm den Namen des alten Berufsstands trägt.